10 Das Angebot – Teil 1
Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee weckte Carter. Da lag noch etwas anderes in der Luft. Er schnupperte. Waren das etwa Pancakes?
Joanna stand am Herd und wendete Pfannkuchen. Sie drehte sich kurz um, als sie das Quietschen der Türscharniere hörte. »Habe ich dich geweckt?«
»Dieser unfassbar appetitliche Duft ist mir in die Nase gestiegen. Wie spät ist es denn?«
»Kurz nach acht.«
»Wow, so lange habe ich seit Ewigkeiten nicht geschlafen. Muss an der frischen Luft liegen.« Er streckte sich. »Kann ich dir helfen?«
»Alles unter Kontrolle. Nimm dir einen Kaffee. Ich habe draußen gedeckt. Ist so ein schöner Morgen.«
Joanna kam mit einem Teller voller Pancakes aus dem Haus und setzte sich zu Carter auf die Terrasse.
»Die sehen köstlich aus.« Er hielt Joanna den Teller hin, damit sie sich zuerst von den kleinen Pfannkuchen nehmen konnte, bevor er sich einige davon auf den Teller legte, die er mit reichlich Ahornsirup begoss. Die Pfannkuchen schmeckten leicht nach Zimt, genau wie Carter sie mochte.
Am liebsten würde er länger bleiben, die Ruhe der Natur genießen, im Wald spazieren gehen und anschließend am Seeufer in der warmen Sonne liegen. Aber er musste sich damit abfinden, dass die Abreise näher rückte, daher fragte er: »Wann brechen wir auf?«
»Zu dem Thema würde ich gerne etwas mit dir besprechen.«
Carter lehnte sich zurück und blickte Joanna interessiert an.
»Ich möchte den Bereich, in dem du deine außerordentlichen Fähigkeiten einsetzen kannst, gerne erweitern. Es gibt gewisse Bedürfnisse, die möglichst rasch gestillt werden wollen und du könntest der Richtige dafür sein.« Joanna versuchte, ein Lachen zu unterdrücken, aber ihre Augen verrieten sie. Carter spielte mit. Ihm gefiel, wie gelöst er sich in ihrer Gegenwart fühlte. Mit ihr schien das Leben leichter zu sein.
»Welche deiner Bedürfnisse könnte ich erfüllen, die nicht jeder andere Mann ebenso befriedigen könnte?«
»Du bringst die nötige Leidenschaft mit. Das ist ein ausschlaggebendes Qualitätsmerkmal, das nicht alle besitzen.«
Er tippte sich nachdenklich an die Nasenspitze. »Ich habs. Du möchtest, dass ich meine außerordentlichen Fähigkeiten beim Abräumen des Tisches unter Beweis stelle, bevor wir die Leidenschaft in der Küche beim Geschirrspülen ausleben.«
Joannas Augen funkelten vor Vergnügen. »Obwohl die Kombination von Tisch, Küche und Leidenschaft durchaus Potenzial hat, liegst du ziemlich daneben. Denk größer.«
Carter hielt sein Lachen nicht mehr zurück. »Bist du immer so?«
»Nur bei dir«, antwortete sie und stellte entgeistert fest, dass das stimmte. Sie kannte Carter kaum, aber in seiner Nähe hatte sie sich seltsamerweise von Anfang an unbefangen gefühlt.
»Okay, ich stehe auf dem Schlauch. Was folgt auf eine leidenschaftliche Betätigung in der Küche? Hausputz?«
»Gute Idee, darauf komme ich gelegentlich zurück.« Joanna lachte, weil er die Nase krauszog. »Heute geht es mir aber um die Reparaturen. Nach dem Sturm konnte ich kurzfristig keine Handwerker finden, da alle über Wochen ausgebucht sind. Ich dachte, dass du Interesse daran hättest, die anstehenden Arbeiten am Blockhaus zu übernehmen. Du könntest bleiben und gleich loslegen.«
Das war ein äußerst verlockendes Angebot. Carter würde nichts lieber tun, denn dann hätte er endlich wieder einen Grund, morgens aufzustehen. »Ich möchte dir bei der Erfüllung dieses Bedürfnisses gerne helfen, aber ich müsste vorher meine Sozialhilfe abholen. Dann fehlt es auch an Werkzeug und ohne Auto geht …«
»Das ist überhaupt kein Problem.«
»Für mich schon.«
»Es ist bereits alles organisiert. Du musst nur zusagen.«
Carter zog die Brauen zusammen. »Ich weiß gerade nicht, ob ich dich dafür bewundern oder ob ich mich ärgern sollte, dass du Dinge über meinen Kopf hinweg bestimmst.«
»Du darfst immer noch ablehnen. Aber erst musst du dir das Angebot im Detail anhören.«
»Okay, das ist fair.«
»Du bekommst eine Kreditkarte, mit der du Material für die Reparaturen kaufen kannst. Dass du die Belege aufbewahren musst, brauche ich dir nicht zu erklären. Die Karte ist auf die veranschlagte Summe limitiert.« Sie schob ihm eine Liste über den Tisch. »Solltest du mehr Geld benötigen, musst du das mit mir besprechen. Dann gibt es eine zweite Kreditkarte, auf die wir deinen Lohn für sechs Tage Arbeit gebucht haben.«
Carter setzte zu einem Protest an, den Joanna sofort mit einer Handbewegung unterband. »Erst zuhören, dann darüber nachdenken, zum Schluss reden. Wo war ich? Ach ja, der Lohn. Meine Leute haben das geklärt. Du darfst kurzfristige Teilzeitarbeit übernehmen, ohne dass man dir die staatlichen Hilfen kürzt. Wir bleiben unter der erlaubten Summe. Das ist absolut wasserdicht und du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Du musst nur ein paar Papiere unterschreiben, um den Rest kümmern wir uns.«
»Bist du Wonder Woman?«
Joanna lachte. »Wie kommst du denn darauf?«
»Wie wäre es dir sonst gelungen, über Nacht Kreditkarten zu beschaffen?«
»In dem Fall hilft mein Name durchaus weiter. Meine Bank mag mich ziemlich gerne und hat rund um die Uhr für mich geöffnet.« Sie grinste ihn an. »Falls du zusagst, wird mich Carlos abholen. Er wartet auf meinen Anruf. Den Pick-up lasse ich hier, damit du mobil bist und Material transportieren kannst.«
Er sah sie einen Atemzug lang sprachlos an. »Warum ausgerechnet ich?«
»Die Hütte muss instand gesetzt werden und du bist ein Profi.«
»Das meinte ich nicht. Warum vertraust du mir dein Eigentum an?« Er machte eine umfassende Geste mit den Armen. »Wieso lässt du mich auf deinem Grundstück wohnen, gibst mir sogar dein Auto? Ich könnte ein Schmarotzer sein, der nur auf seinen Vorteil bedacht ist.«
»Bist du aber nicht.«
»Was macht dich da so sicher?«
»Du hast von mir nur das angenommen, was du dringend brauchtest und das ich dir freiwillig gegeben habe. Und du hast dich bedankt. Du hast mir sogar das Geld zurückgebracht. Du hast mich noch nie um etwas gebeten. Im Gegenteil, du hast mir Hilfe angeboten und wolltest dafür nicht bezahlt werden.«
»Könnte alles Berechnung sein. Vielleicht räume ich das Blockhaus leer und verschwinde mit deinem Pick-up.«
Sie schubste ihn mit der Schulter an. »Aus irgendeinem unerfindlichen Grund mag ich dich, Carter Doyle. Ruinier das nicht.«
Seine Mundwinkel zogen sich bei ihren Worten leicht nach oben.
»Erkenne ich da etwa ein angedeutetes Lächeln?«
»Möglich.« Das Lächeln wurde breiter.
»Machst du es?«
»Was?«
Dieses Mal blieb es nicht bei einem sachten Schubs. Joanna holte aus und stieß ihm den Ellenbogen kräftig in die Seite.
»Hey, wofür war das denn?«, beschwerte er sich.
»Ich mag es nicht, hingehalten zu werden.« Sie drohte ihm spielerisch mit der Gabel. »Wie lautet deine Antwort?«
»Das ist Nötigung. Warum so ungeduldig?« Mittlerweile reichte sein Lachen über das ganze Gesicht.
»Ich bin nicht ungeduldig.«
Er hob vielsagend eine Augenbraue, woraufhin Joanna ihn mit einem gespielt bösen Blick bedachte.
»Ich übernehme die Arbeiten, aber Geld möchte ich dafür nicht. Mir reicht es, wenn ich hier übernachten kann. Was ich an Lebensmitteln benötige, werde ich kaufen. Den Betrag gebe ich dir zurück, sobald ich die Sozialhilfe abholen konnte.«
»Sei nicht albern. Selbstverständlich wirst du für deine Arbeit bezahlt. Schwarzarbeit kommt nicht infrage.«
»Eine Gefälligkeit gilt nicht als Schwarzarbeit. Ich nehme kein Geld dafür und werde das nicht weiter mit dir diskutieren.«
»Gut, ich diskutiere das nämlich auch nicht mit dir.«
Er seufzte frustriert auf. »Du weißt genau, wie ich das meinte. Das Geld bekommst du zurück.«
»Ich werde es nicht annehmen.«
»Bist du immer so stur?«
Über seinen leicht genervten Tonfall schmunzelte Joanna. »Ich mache dir einen Vorschlag zur Güte.«
»Der wäre?«
»Ich muss morgen nach New York. Du hast die ganze nächste Woche Zeit, sauer auf mich zu sein. Samstag komme ich wieder her und wenn dir dann immer noch danach ist, können wir uns ausgiebig über die Bezahlung streiten. Für heute bin ich mit dem Thema durch. Ich gehe Carlos anrufen.« Mit einem frechen Grinsen verschwand sie im Haus. Carter blieb kopfschüttelnd zurück.
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Kapitel 10 – Das Angebot