16 Alles auf Anfang – Teil 2
Carter brauchte drei Tage, um endgültig zu begreifen, dass er diesen Job zurückwollte. Er wollte zurück ins Gästehaus und vor allem wollte er Joanna beweisen, dass sie sich auf ihn verlassen konnte. Ihr trauriger Gesichtsausdruck, bevor sie gegangen war, verfolgte ihn sogar in seinen Träumen. Joanna spielte in seinem Leben nach wie vor eine viel größere Rolle, als gut für ihn war. Es fehlte ihm, sich mit ihr zu unterhalten. Er vermisste ihre Wortgefechte. Carter beschloss, dass es Zeit für gesunden Egoismus war, also packte er seine Sachen und machte sich auf den Weg nach Pacific Heights. Er gab die Zahlenkombination für das Tor ein und während er sich noch fragte, ob Joanna den Code in der Zwischenzeit geändert hatte, schwang das Tor bereits auf. Sein Firmenwagen stand nach wie vor in der Einfahrt. Da die Mansion komplett im Dunkeln lag, ging Carter sofort ins Gästehaus. Dort fand er alles vor, wie er es verlassen hatte. Langsam packte er seine Sachen aus.
»Du bist wieder da.« Joanna stand in der Tür und blickte ihn an.
»Ich dachte, du bist nicht zu Hause, sonst wäre ich zuerst zu dir gekommen.«
»Ich bin soeben aus Napa zurück und habe Licht gesehen.«
»Es tut mir leid, dass ich dich hängengelassen habe. Was das angeht, hast du recht und das war nicht in Ordnung.«
»Aber?«
»Ich habe es meiner Meinung nach aus den richtigen Gründen getan. Trotzdem würde ich gerne alles zurück auf Anfang drehen und frisch beginnen.«
»Ich kann deine Beweggründe durchaus nachvollziehen, aber du hast einen Vertrag unterschrieben. Daher hättest du zuerst mit mir über die Sache reden sollen.«
»Seit ich weiß, wie schnell sich Ansehen ohne eigenes Fehlverhalten ins Gegenteil wandeln kann, bin ich vorbelastet. Dein Unternehmen lässt sich natürlich nicht mit meiner damaligen kleinen Firma vergleichen, aber ich will einfach nicht allein durch meinen Namen Schuld daran tragen, wenn für dich etwas falsch läuft.«
»Das du dir diese Gedanken machst, weiß ich zu schätzen. Aber deine Vergangenheit hat, wenn überhaupt, nur kleine Auswirkungen auf unsere Geschäfte in der Bay Area und nicht auf den ganzen Konzern. Sollte es Negativschlagzeilen geben, gegen die etwas unternommen werden muss, hat mein PR-Team das im Griff. Also streich diese Sichtweise schnell aus deinem Kopf. Es lohnt sich nicht, sich daran aufzuhängen. Richte den Fokus lieber auf deine Projekte, denn da wird deine Energie gebraucht.«
Bei ihrer feurigen Rede wurde Carter verlegen. »Danke für deinen Rückhalt.«
»Gerne, aber eins muss dir klar sein. Eine weitere Kurzschlusshandlung werde ich nicht akzeptieren. Können wir uns darauf einigen, dass wir uns bei Problemen, welcher Art auch immer, zusammensetzen und sie wie Erwachsene besprechen?«
Er nickte mehrmals. »Wie erklären wir dem Team, dass ich zurückkomme?«
»Keine Erklärung nötig. Alle denken, du hast Urlaub genommen, um dich nach deiner Krankheit ein wenig länger zu erholen. Niemand wird sich wundern, wenn du morgen wieder im Büro sitzt.«
»Oh.« Er musste grinsen. »Du bist wirklich gut.«
»Carter Doyle, war das etwa ein Kompliment?«
»Zufall, gewöhn dich besser nicht daran. Eine Chefin, die flunkert, ist kein gutes Vorbild für die Mannschaft und sollte nicht mit Lob überhäuft werden.«
Für beide überraschend war die Leichtigkeit zwischen ihnen zurück.
»Ich habe nicht geflunkert. Sagen wir, ich habe meine Version der Geschichte weitergegeben.«
»Der Zweck heiligt deine Mittel?«
»Solange ich damit niemandem schade, kann ich das vor mir verantworten. In diesem Fall hat meine Strategie wunderbar funktioniert.«
»Strategie ist ein gutes Stichwort. Was machen wir mit dem Gerücht, das sich um unsere Beziehung rankt? Bist du da auch tätig geworden?«
»Klar, ich habe allen erzählt, dass wir eine heiße Affäre haben.«
Carter hob eine Braue als Zeichen dafür, dass er ihr kein Wort glaubte.
»Erwischt«, gab sie lachend zu. »Das wird sich wie jedes andere Gerücht totlaufen. Ich werde das nicht kommentieren. Es sei denn, du möchtest dazu etwas sagen.«
»Auf keinen Fall«, stellte er klar. »Damit sich die Geschichte rascher erledigt, werde ich mich sofort nach einer neuen Wohnung umsehen. Bisher hatte das keine Priorität, weil ich mich hier wohlfühle.«
»Meinetwegen musst du nichts überstürzen, immerhin zahlst du Miete. Das kannst du gerne jedem erzählen, der es deiner Meinung nach wissen muss. Auch darüber werde ich kein Wort verlieren. Ein wenig Tratsch über die Chefin braucht jede Firma. Meinetwegen sollen die Leute ruhig spekulieren.« Sie zwinkerte Carter zu, der sich ein amüsiertes Grinsen nicht verkneifen konnte.
Mit einem Mal fiel ihm Alana ein. Darum würde er sich kümmern müssen. »Verflixt«, murmelte er und fuhr sich durch die Haare.
»Was ist?«
»Eine Sache habe ich bis soeben erfolgreich verdrängt.«
»Alana?« Da Carter sie fragend anblickte, erklärte sie: »Rylan hat auch den Teil mitbekommen.«
»Ich werde wohl oder übel mit ihr reden müssen, damit das nicht zwischen uns steht. Wie ich mich auf dieses Gespräch freue.« Er verzog das Gesicht, als hätte er auf eine Zitrone gebissen.
»Darüber musst du dir keine Gedanken mehr machen. Rylan hatte schon länger ein Auge auf Alana geworfen und ihr endlich seine Gefühle gestanden, nachdem er seine Felle davonschwimmen sah. Offenbar war er ziemlich überzeugend, denn die beiden sind seit Kurzem ein Paar und schweben auf Wolke 7.«
Carter lächelte erleichtert. »Ich mag es, wenn sich Dinge von allein erledigen.« Und er war gottfroh, dass er mit Alana nicht über dieses Thema sprechen musste.
Hörbuch Sheltered Dreams – hier kostenlos genießen
Kapitel 16 – Alles auf Anfang