22 Die Benefiz-Gala Teil 1
Carter wartete zusammen mit anderen geladenen Gästen in der Schlange vor dem Grand Ballroom des Fairmont Hotels auf Einlass. Er zupfte an der schwarzen Fliege, die einfach nicht sitzen wollte. Eine Seite hing tiefer als die andere und überhaupt war das Ding zu eng. In der Brusttasche des Jacketts steckte ein weißes Einstecktuch aus Leinenstoff, das sich standhaft seiner Falttechnik widersetzt hatte. Irgendwann hatte er das Tuch entnervt zusammengeknüllt und so weit in die Tasche gestopft, bis nur wenige Zentimeter oben herausschauten.
Nach der Kontrolle der Einladung führte ihn eine Hostess an seinen Tisch. Links von ihm saß Tate und sie unterhielten sich angeregt, bis das Licht gedimmt wurde. Sobald Joanna die Bühne betrat, richtete Carter seine gesamte Aufmerksamkeit auf sie. Das schwarze, schulterfreie Seidenkleid hatte einen ausgestellten Rock, der vorne kürzer war und hinten bis zum Boden reichte. So umwerfend auszusehen sollte verboten werden. Carter konnte kaum atmen. Sauerstoff, er brauchte Sauerstoff. Hastig steckte er den Zeigefinger in den Kragen und zerrte daran. Während Joanna ihre Stiftung charmant und souverän vorstellte, hing Carter wie magnetisiert an ihren Lippen.
Nach ihrer Rede begrüßte Joanna die Bürgermeisterin von San Francisco auf der Bühne, bevor sie das Podium über eine polierte Holztreppe verließ. Carter stand rasch auf und rückte ihr den Stuhl neben sich zurecht.
»Du siehst absolut hinreißend aus«, sagte er, bevor er sich wieder hinsetzte.
Sie strahlte ihn an. »Danke, das Kompliment gebe ich zurück.« Als sie ihn vorhin von der Bühne aus an ihrem Tisch entdeckt hatte, war ihr kurz die Luft weggeblieben. Er war mit Abstand der attraktivste Mann im Raum, schien sich seiner faszinierenden Ausstrahlung aber nicht bewusst zu sein.
Nach der Rede der Bürgermeisterin folgten verschiedene Vorträge, bis Joanna zusammen mit Tate eine emotionale Ansprache hielt, die das Ende des offiziellen Teils der Gala einleitete.
Es folgte das Dinner und anschließend erfüllte Joanna ihre Pflichten als Gastgeberin, nahm sich Zeit für Gespräche, während eine Liveband für Unterhaltung sorgte. Im Laufe des Abends hielt Joanna immer wieder Ausschau nach Carter. Von Zeit zu Zeit trafen sich ihre Blicke. Jedes Mal schenkte er ihr ein warmherziges Lächeln, das seltsame Dinge mit ihrem Magen anrichtete.
Carter bestellte sich einen alkoholfreien Cocktail an der Bar. Während er auf das Getränk wartete, bekam er die Unterhaltung einer Gruppe Männer mit.
»Warum hältst du dein Portemonnaie heute so fest verschlossen? Sind deine Aktien im Keller?«, machte sich einer der Männer lustig.
Ein weiterer Mann ergriff das Wort. »Ich dachte, du hättest ein Herz für Obdachlose und Junkies.«
»Ich habe ein Herz für schöne Frauen. Glaubst du ernsthaft, ich wäre hier, um den Gutmenschen raushängen zu lassen? Mich interessiert null, was da draußen abgeht. Die sollen gefälligst ihren Hintern hochkriegen und arbeiten, wie jeder andere Mensch auch. Stattdessen lassen die sich ihre Süchte vom Staat finanzieren. Mit meinen Steuergeldern tue ich mehr als genug, um diese Parasiten am Leben zu halten.«
»Du bist so ein Arschloch, Glen«, ließ ein anderer Mann verlauten.
»Behalt deine Meinung gerne für dich, Trevor. Die interessiert hier keinen. Wenn die kleine Callaway nicht endlich mit mir ausgeht, bin ich raus. Gibt schließlich noch andere Fische im Teich.«
Wie dieser Typ über Joanna sprach, gefiel Carter nicht, außerdem machte ihn seine überhebliche Art wütend. Sobald die Band eine Pause einlegte, betrat Carter kurz entschlossen die Bühne. Er schaltete das Mikrofon ein und klopfte darauf, um sicherzustellen, dass es funktionierte.
»Guten Abend. Eigentlich sind wir bereits im lockeren Teil der Veranstaltung angekommen, aber vielleicht schenken Sie mir trotzdem ein paar Minuten Ihrer Aufmerksamkeit.«
Köpfe ruckten herum, um zu sehen, wer auf der Bühne stand. Joannas Augen wurden groß. Sie schaute Carter fragend an, der sie jedoch nicht beachtete, da er Glen mit einem eisernen Blick fixierte. »Mein Name ist Carter Doyle und ich bin einer der Parasiten, der sich fast zwei Jahre als Obdachloser von Ihren Steuergeldern ein schönes Leben auf der Straße gemacht hat.«
Damit hatte Carter die Aufmerksamkeit des kompletten Saals.
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Kapitel 22 – Die Benefiz-Gala