Dies ist Teil 19 von 62 im Buch Sheltered Dreams
Lesedauer: 3 Minuten

11 Die Chance – Teil 1

Am nächsten Morgen war Carter vor der Dämmerung auf den Beinen. Mit einer dampfenden Tasse Kaffee setzte er sich auf den Steg, plante gedanklich seine Arbeiten für den Tag. Die Sonne ging langsam auf, gewann zunehmend an Kraft. Diese Kraft schien sich auf ihn zu übertragen. Er fühlte sich beschwingt und lebendig. Nachdem er den Kaffee geleert hatte, stürzte er sich enthusiastisch in die Renovierungsarbeiten. Da es keine direkten Nachbarn gab, konnte er bis spät in die Nacht bohren, sägen und hämmern, ohne jemanden zu stören.
In New York hatte Joanna einen Tag voller langwieriger Besprechungen inklusive eines nicht enden wollenden Arbeitsessens hinter sich gebracht. Kurz nach ein Uhr nachts lag sie endlich im Bett ihres Lofts in Tribeca, als das Handy auf dem Nachttisch den Eingang einer Nachricht signalisierte. Joanna lächelte, sobald sie feststellte, dass der Text von Carter war:

Ich dachte, du hättest gerne ein Update von der Baustelle. Das Dach ist bereits komplett ausgebessert. Hoffentlich habe ich dich mit dieser Nachricht geweckt.

Kurz darauf vibrierte das Telefon erneut.

Nicht geweckt sollte das natürlich heißen. Vermutlich habe ich es spätestens jetzt geschafft, dich aus den Träumen zu holen.

Joanna überkam der heftige Wunsch, Carters Stimme zu hören. Bevor sie darüber nachdenken konnte, hatte sie seine Nummer gewählt.
»Oh, ich habe dich tatsächlich geweckt. Das wollte ich nicht. Entschuldige«, sagte er in dieser tiefen, samtigen Tonlage, die bei Joanna ein feines Kribbeln im Nacken auslöste, das sich über die Wirbelsäule ausbreitete.
»Ich bin erst vor ein paar Minuten nach Hause gekommen und war noch wach. Wo bist du gerade?«
»Ich sitze auf dem Steg und beobachte fasziniert, wie ein Stern nach dem anderen am Himmel aufleuchtet.«
»Ich wäre jetzt gerne bei dir.« Joanna hielt die Luft an. Die Worte waren ihr einfach über die Lippen gekommen. Wie peinlich. »Ich liebe es, Sterne zu beobachten. Hier in New York sieht man ja leider keine«, schob sie schnell hinterher.
Ein Lächeln huschte über Carters Gesicht. Es würde ihm gefallen, Seite an Seite mit Joanna auf dem Steg zu liegen, dem beruhigenden Zirpen der Zikaden zu lauschen und dabei das Firmament zu beobachten. »In dem Fall werde ich für deine Rückkehr einen besonders schönen Sternenhimmel bestellen.«
»Hast du einen guten Draht zum Universum?«
»Nein, aber ich habe die Wettervorhersage gehört, um die Renovierungen im Außenbereich entsprechend zu planen. Die Chancen für eine wolkenlose Sicht am Wochenende stehen gut.«
»Da hast du deinen Pragmatismus aber beeindruckend hinter romantischen Worten versteckt.«
»Ich habe was Romantisches gesagt? Muss ein Versehen gewesen sein. Mir wurde mehrfach bescheinigt, dass ich kein Romantik-Gen besitze.«
»Vielleicht war einfach noch nicht die Frau dabei, die das Gen in dir angesprochen hat.«
Mit wenigen Worten hatte sie die Sache auf den Punkt gebracht. Bisher war es keiner Frau gelungen, sein Herz nachhaltig zum Flattern zu bringen. Bisher. Er räusperte sich und lenkte das Thema um. »Möchtest du jeden Tag ein Update? Ich könnte dir Bilder schicken.«
»Nein, bitte nicht. Überrasch mich am Wochenende mit dem Fortschritt.«
»Das kann ich machen.«
»Okay, dann sehe ich dich am Samstag. Es war schön, deine Stimme zu hören. Gute Nacht.«
Bevor er darauf etwas erwidern konnte, war die Verbindung bereits unterbrochen. Während es immer dunkler wurde und über ihm die Sterne des Nachthimmels funkelten, fragte er sich, warum ihn dieses Gespräch aufgewühlt zurückließ.

***

Hörbuch Sheltered Dreams – hier kostenlos genießen

Hörbuch Sheltered Dreams Cover

Kapitel 11 – Die Chance

Navigation<< Kapitel 10 – Das Angebot – Teil 2Kapitel 11 – Die Chance – Teil 2 >>