Dies ist Teil 23 von 62 im Buch Sheltered Dreams
Lesedauer: 5 Minuten

12 Ein neues Leben beginnt – Teil 2

Die Wochen rauschten an Carter vorbei. Er arbeitete unermüdlich, war morgens der Erste im Büro und abends der Letzte. Dass Joanna nicht in der Stadt war, half ihm, sich vollkommen auf die Arbeit zu konzentrieren. Er erlaubte seinen Gedanken nicht mehr, einen Weg einzuschlagen, der zu Joanna führte. Zwischen Arbeits- und Privatleben gab es eine Grenze, die er keinesfalls erneut überschreiten würde, denn er liebte sein neues Leben. Zu seinen Gefühlen zu stehen, würde alles komplizierter machen. Zu viel hing für ihn von dieser Stelle ab. Niemals würde er sehenden Auges etwas riskieren, dass ihn zurück auf die Straße katapultieren könnte. Und falls das bedeutete, die Anziehungskraft, die Joanna auf ihn ausübte, zu ignorieren, dann musste das so sein.
»Kommst du mit uns ins Waterfront, um das Wochenende einzuläuten? Du weißt schon, Teambildung und so.« Alana riss Carter mit ihrer Frage aus den Gedanken. Sie sah ihn abwartend mit einem breiten Grinsen an.
»Bei euch gilt der Besuch einer Bar als teambildende Maßnahme?«, fragte er, amüsiert über ihren Versuch, ihn zum Mitkommen zu überreden. Bisher hatte er ihre Einladungen immer ausgeschlagen, weil er die ruhigen Abende im Büro gerne nutzte, um liegengebliebene Mails zu beantworten.
»Na klar, was könnte besser sein, als ein Cocktail in entspannter Runde?«
»Zwei Cocktails?«, antwortete Carter und brachte Alana damit zum Lachen. Er mochte die Leute, die mit ihm im Projekt arbeiteten, und seine Assistentin hatte nicht unrecht. So ein Abend würde helfen, das Team etwas besser kennenzulernen, ohne den Zeitdruck, der während des normalen Arbeitstages immer herrschte, daher sagte er: »Geht schon vor, in spätestens einer halben Stunde komme ich nach.«
»Wird gemacht, Chef. Wir haben draußen auf dem Patio reserviert. Bis gleich.«
Vierzig Minuten später trat Carter schwungvoll durch die Tür der beliebten Bar am Hafen.
»Mädels, extrem heißer Typ auf zwölf Uhr«, bemerkte Harlow. Joanna sah auf und blickte in Carters Augen. Sein unverhofftes Auftauchen sorgte für ein Kribbeln in ihrer Magengegend. Es war also immer noch da. In den letzten vier Wochen hatte sie oft an den Abend im Pool gedacht, sich eingeredet, dass diese Anziehung zwischen ihnen nur eine Illusion gewesen war. Jetzt stellte sie fest, dass sie komplett falschgelegen hatte, denn ihre Faszination für Carter schien sogar stärker geworden zu sein. Sie bemerkte, dass ihre Tischnachbarinnen allesamt die Augen auf Carter gerichtet hatten und sich in Position warfen. Schultern gerade, Brust raus, Haare zurechtstreichen, Beine übereinanderschlagen und ein aufgesetztes Lächeln zeigen. Joanna fand dieses gekünstelte Getue extrem peinlich. Sollte sie jemals so werden, würde sie dann bitte jemand erschießen?
»Entschuldigt mich kurz.« Joanna stand auf und ging Carter entgegen. Die Frauen am Tisch blickten ihr irritiert hinterher.
Ein prickelnder Schauer durchlief Carter, als er Joanna auf sich zukommen sah. Hoffentlich würde er bei ihrem ersten Aufeinandertreffen nach dem Abend im Pool die richtigen Worte finden. Er wollte unverkrampft wirken, obwohl jede Sehne, jeder Muskel in ihm angespannt war.
»Das ist eine unerwartete Überraschung«, sagte er mit diesem besonderen Lächeln, das Joanna elektrisierte. »Seit wann bist du zurück?«
»Vor einer Stunde gelandet.« In der schwarzen Jeans und dem weißen Hemd, dessen oberste Knöpfe offen standen, sah Carter umwerfend aus. Fast hätte sie ihm mit der Hand über die Wange gestrichen. Ihr gelang es in letzter Sekunde, sich davon abzuhalten. »Ich wollte dich nur rasch begrüßen. Bestimmt bist du verabredet«, sagte Joanna und bemerkte, wie unsicher ihre Stimme klang.
Er deutete auf den Patio. »Happy Hour mit dem Team. Alana hat mir durch die Blume zu verstehen gegeben, dass ich mich mehr um Teambildung kümmern sollte. Wie ich sehe, bist du mit Freundinnen hier.« Die Frauen starrten nach wie vor in Carters Richtung. Er nickte ihnen daher kurz zu, worauf hektisches Gekicher folgte.
»Nein, das ist Netzwerken mit den Assistentinnen der wichtigsten Bauträger und vergleichbar mit einem Besuch beim Zahnarzt.«
»Autsch, so übel?«
»Ja.«
»Oh, da steuert jemand von deiner Gruppe auf uns zu«, stellte Carter fest. Eine Rothaarige bewegte sich auf halsbrecherischen Stöckelschuhen in ihre Richtung.
»Ich entschuldige mich im Vorfeld für alles, was jetzt passiert«, flüsterte Joanna ihm gerade rechtzeitig zu, bevor Harlow neben ihr auftauchte. Sie musterte Carter unverhohlen, strich dabei wieder ihr Haar glatt.
»Joanna, warum versteckst du diesen Mann vor uns? Hi, ich bin Harlow.« Sie hielt ihm die Hand hin, während sie mit der anderen erneut durch ihre langen Haare fuhr.
»Freut mich. Carter.«
»Woher kennt ihr euch?«, wollte Harlow wissen.
»Carter ist einer meiner Projektleiter hier in San Francisco.«
»Süße, ich muss dringend von Straight zu dir wechseln. Bei uns gibt es nicht so tolle Männer.« Harlow leckte über ihre knallroten Lippen.
Carter übergab sich innerlich, nach außen hin lächelte er. »Harlow, es war nett, dich kennenzulernen. Ich muss weiter, mein Team wartet.«
»Kann ich dich vorher zu einem Drink überreden?« Harlow legte eine Hand auf Carters Arm.
»Vielleicht ein anderes Mal.«
»Ich hätte morgen Zeit.«
»Harlow«, stöhnte Joanna und warf einen genervten Blick zur Decke.
»Meine Freundin freut sich immer, neue Leute kennenzulernen. Wo und wann treffen wir drei uns?«, antwortete Carter, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Schade, in dem Fall wird das mit uns nichts. Für Dreier bin ich nicht zu haben«, sagte Harlow, drehte sich um und stöckelte zurück an den Tisch.
Joanna verkniff sich nur mit Mühe ein Lachen. »Wie heißt sie denn?«
»Wer?«
»Deine Freundin.«
»Ihr Name ist Notlüge und sie war im richtigen Moment da, um mich zu retten.« Er zwinkerte Joanna verschwörerisch zu. In der Zwischenzeit hatte Alana Carter entdeckt und winkte.
»Ich sollte los«, sagte er daraufhin und beugte sich nah an Joannas Ohr. »Schön, dass du wieder da bist.« Zum Abschied drückte er ihren Arm.
Joanna saß mit dem Rücken zur Fensterfront, sodass sie keinen Blick auf den Patio hatte. Seit Carter in der Bar aufgetaucht war, gelang es ihr nicht mehr, sich auf die Tischgespräche zu konzentrieren. Ständig gingen ihr seine Worte durch den Kopf: Schön, dass du wieder da bist. Durch die weit geöffneten Falttüren hörte sie von Zeit zu Zeit Carters unverkennbares Lachen. Sie sehnte den Moment herbei, die Frauenrunde endlich auflösen zu können, um mit ihren Gedanken allein zu sein. Harlow verabschiedete sich kurz vor Mitternacht als Letzte mit Luftküsschen. Wie immer übernahm Joanna die Rechnung und wartete an der Bar, bis der Mitarbeiter den Bewirtungsbeleg für sie ausgedruckt hatte. Carter saß mittlerweile allein mit Alana am Tisch. Die beiden waren in ein Gespräch vertieft und amüsierten sich eindeutig gut. Joanna verspürte einen leisen Stich in der Herzgegend. Wie gerne wäre sie jetzt an Alanas Stelle, wäre der Mittelpunkt von Carters Aufmerksamkeit. Sie zwang sich, den Blick abzuwenden. Dann nahm sie den Beleg entgegen und verließ die Bar. Vor der Tür wartete Carlos bereits auf sie.

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Kapitel 12 – Ein neues Leben beginnt

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