Dies ist Teil 31 von 62 im Buch Sheltered Dreams
Lesedauer: 5 Minuten

17 Zurück in Cow Hollow

Es war Samstag. Carter mochte die Ruhe im Büro, daher saß er ab und zu am Wochenende am Schreibtisch. Er vertiefte sich in eine Liste mit stark renovierungsbedürftigen Objekten, die zum Verkauf standen. Die Häuser und Wohnungen, die ins Projekt Bezahlbarer Wohnraum passten, markierte er, damit Alana Besichtigungstermine für ihn vereinbaren konnte. Beim Überfliegen der letzten Seite stoppte er bei einem Eintrag, der selbst für heruntergekommene Häuser in San Francisco weit unter dem üblichen Marktpreis lag. Er erwartete ein Abrissobjekt und sah genauer hin. Dann stockte ihm der Atem.
Das war sein ehemaliges Haus. Seine geliebte Lady. Aus den Details erfuhr er, dass es im Gebäude gebrannt hatte und ein Teil des Obergeschosses samt Dach erneuert werden musste. Er packte seine Sachen zusammen und eilte aus dem Büro. Keine Viertelstunde später parkte er vor seinem früheren Haus im Stadtteil Cow Hollow. Seit er seinen Besitz verloren hatte, war er nicht mehr hier gewesen. Beim Anblick der Fassade schlug sein Herz schneller. Er hatte es geliebt, hier zu wohnen, und der Verlust schmerzte ihn immer noch. Das Dach war notdürftig mit Plane abgedeckt, die Fenster im oberen Stockwerk mit Brettern vernagelt. Der untere Bereich schien dagegen weitestgehend unversehrt zu sein. Mit viel Eigenarbeit ließe sich das wieder herrichten. Natürlich müsste er den Schaden genauer in Augenschein nehmen und dafür ins Haus. Er suchte nach der Telefonnummer des Maklerbüros, als ihn etwas von hinten ansprang. Er zuckte zusammen, dann lachte er.
»Brownie. Dass du dich noch an mich erinnerst.« Er bückte sich zu der Französischen Bulldogge hinunter, die sich vor Freude auf den Rücken warf. Carter kraulte ihr den Bauch.
»Brownie, komm sofort her«, donnerte die Stimme von Carters ehemaligem Nachbarn Harvey über die Straße. Den Hund beeindruckte das wenig. Er ließ sich weiter von Carter streicheln und leckte ihm die Hand ab.
»Brownie«, rief Harvey erneut, gefolgt von einem tiefen Seufzer. »Entschuldigen Sie bitte die Belästigung. Normalerweise ist mein Hund bei Fremden zurückhaltender.«
Carter richtete sich auf und drehte sich lächelnd um. »Könnte daran liegen, dass ich kein Fremder bin.«
Harvey blieb vor Überraschung der Mund offen stehen. »Das gibts ja nicht. Carter, schön dich zu sehen. Wie geht es dir? Ich habe mich gefragt, was aus dir geworden ist.«
Nachdem Harveys Frau gestorben war, hatte der sein Versprechen ihr gegenüber eingelöst, sich Brownie geschnappt und war mit einem alten Winnebago auf Weltreise gegangen. Eine Reise, die er und seine Frau ursprünglich gemeinsam antreten wollten. Sein Haus vermietete er damals unter. Als er bei seiner Rückkehr einen neuen Nachbarn vorfand, und den Grund für den Besitzerwechsel erfuhr, war er fassungslos gewesen.
Carter berichtete Harvey von den hinter ihm liegenden Monaten auf der Straße. »War eine harte Zeit, aber mittlerweile habe ich wieder Arbeit und mir geht es rundum gut. Weißt du, was mit dem Haus passiert ist?«
»Traurige Geschichte. Billy hatte einen Herzinfarkt und muss eine brennende Kerze mitgerissen haben, als er zusammengesackt ist.«
»Hat er allein hier gewohnt?«
»Ja, war Witwer, wie ich. Wir haben uns angefreundet und oft zusammen Karten gespielt. Das Haus steht übrigens wieder zum Verkauf«, merkte Harvey an.
Carter nickte. »Das habe ich vorhin zufällig erfahren. Ich wollte mir einen Eindruck vom Schaden verschaffen.«
»Möchtest du rein? Miles, das ist Billys Sohn, hat mich gebeten, nach dem Rechten zu sehen, bis er das Haus verkauft hat.«
Harvey wartete die Antwort nicht ab, sondern steckte bereits den Schlüssel ins Schloss.
Die beiden liefen durch das Gebäude und in Gedanken kalkulierte Carter die Kosten für die Sanierung. Da würde eine ordentliche Summe zusammenkommen.
»Denkst du darüber nach, das Haus zurückzukaufen?«, erkundigte sich Harvey.
»Ich befürchte, das liegt momentan nicht im Bereich meiner finanziellen Möglichkeiten.«
»Ich könnte Miles anrufen. Zufällig weiß ich, dass er nicht am Hungertuch knabbert und das Geld aus dem Verkauf nicht nötig hat. Er lebt in Sacramento und erwähnte, dass die Lady ein Klotz am Bein ist. Da lässt sich sicher was machen. Außerdem wäre es schön, dich wieder als Nachbarn zu haben.«
Carter rechnete sich keine Chancen aus, aber ein Anruf konnte nicht schaden. Während Harvey sein Handy zückte, sah sich Carter weiter im Gebäude um. Es fühlte sich immer noch wie sein Haus an, der Ort, an dem er viele Jahre glücklich gewesen war.
»Miles könnte morgen nach San Francisco kommen und sich mit dir treffen. Hast du Zeit?«, erkundigte sich Harvey.
Carters Herz setzte für einen Schlag aus, nur um dann in einen schnellen Galopp zu verfallen. Er durfte sich keine Hoffnung machen, trotzdem war da dieser eine kleine Funke, der sich nicht löschen ließ.

***

Am nächsten Tag kam Carter gleichzeitig mit Miles vor dem Haus in Cow Hollow an. Die beiden Männer begrüßten sich per Handschlag. Während des Rundgangs stellte Miles Carter Fragen zu den Umständen, die zum Verlust des Hauses geführt hatten.
»Du hast einiges mitgemacht«, sagte Miles bestürzt, nachdem er Carters Schilderungen gelauscht hatte.
»Krisen haben glücklicherweise auch positive Nebenwirkungen. Für mich ist nicht mehr alles selbstverständlich. Ich bin bescheidener geworden, erfreue mich an den kleinen Dingen und genieße den Moment.«
»Ich kann dir anmerken, wie sehr du an dem Haus hängst, daher wäre es mir eine Freude, es dir zurückzugeben.«
Carter seufzte. »Obwohl ich jetzt gut verdiene und bei einer renommierten Firma einen unbefristeten Vertrag habe, befürchte ich, dass ich keine Bank finden werde, die mich nach der Pleite als kreditwürdig einstuft. Diese Geschichte wird mir vermutlich ewig anhaften und dabei spielt es keine Rolle, dass es nicht mein Verschulden war. Ohne Bank im Hintergrund kann ich das nicht finanzieren.«
»Dann lass mich dir sagen, dass du den heutigen Tag als Glückstag in deinem Kalender anstreichen kannst.«
»Ich höre, was du sagst, aber verstehe kein Wort.«
»Ist dir Moneyvest ein Begriff?«
»Die finanzieren Kredite über private Anleger.«
»Genau. Mein Dad hat dort das Darlehen für das Haus zu guten Konditionen laufen.« Da Carter Miles fragend ansah, fügte der mit einem Lächeln hinzu: »Moneyvest gehört mir, daher kannst du den Vertrag unkompliziert übernehmen. Wir haben andere Maßstäbe bei der Kreditvergabe als Banken. Der Arbeitsvertrag reicht in deinem Fall aus.«
»Du machst Witze.«
»Absolut nicht. Lass uns irgendwo einen Kaffee trinken und die Details besprechen.«
Kurz darauf war Carter wieder stolzer Besitzer seines alten Hauses. Er hatte seine geliebte Lady zurück. Sogar als er die Schlüssel in den Händen hielt, konnte er es immer noch nicht glauben. Es wartete eine Menge Arbeit auf ihn und er würde jede Sekunde, jeden Schweißtropfen und jede Blase an den Händen genießen.

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