18 Geliebte Magnolia Teil 1
»In letzter Zeit bekomme ich dich überhaupt nicht mehr zu Gesicht. Es ist ewig her, dass wir zusammen gegessen haben. Rosa meinte schon, ob ich dir so viel Arbeit aufbürde, dass du nie zu normalen Zeiten Feierabend machen kannst«, sagte Joanna mit einem Augenzwinkern, als sie Carter zufällig in der Kaffeeküche traf.
»Da gibt es tatsächlich etwas, das ich bisher für mich behalten habe. Ich bin bereit, mein wunderbares Geheimnis eher als geplant zu lüften. Hast du jetzt Zeit?«
»Ja, schon«, antwortete sie zögerlich.
»Lass uns Feierabend machen und fahr hinter mir her. Ich möchte dir jemanden vorstellen.«
Wer war ihm so wichtig, dass sie diese Person kennenlernen sollte? Seine Freundin? Ein seltsames, mulmiges Gefühl breitete sich bei dem Gedanken in Joanna aus. Vor wenigen Monaten hatte sie Carter nicht mal gekannt, aber mittlerweile war er zu einem wichtigen Menschen in ihrem Leben geworden. Normalerweise benötigte Joanna Zeit, bevor sie sich jemandem öffnete und emotional an sich heranließ. Nur bei Carter war das von Beginn an anders gewesen. Er wusste Dinge von ihr, ihrer Vergangenheit, die außer ihm niemand sonst kannte. Vermutlich war es egoistisch, aber sie wollte Carter nicht teilen. Dieser Gedanke brachte sie umgehend zur nächsten Frage: Was genau wollte sie eigentlich von ihm?
Carter fuhr in eine Einfahrt, die ausreichend Platz für zwei Fahrzeuge bot, daher parkte Joanna neben ihm und stieg aus.
»Das ist Magnolia, meine große Liebe.« Er deutete auf das viktorianische Gebäude vor ihnen, dessen Front komplett von einem Gerüst verdeckt wurde. »Ich wollte sie dir eigentlich erst nach der Sanierung vorstellen.«
Joanna blinzelte mehrmals. Es ging um ein Haus und nicht um eine Frau. Erleichterung durchflutete sie. Fast erwartete Joanna, dass dieser ruckartige Spannungsabbau zu einem Erdbeben führen würde. Auf wackeligen Beinen folgte sie ihm ins Haus. Möbel waren mit weißen Tüchern abgedeckt, Pakete mit Dämmmaterial lagen in einem Raum, der vermutlich das Wohnzimmer war.
»Diese Schönheit habe ich Magnolia getauft, weil vor dem Haus ein Magnolienbaum steht. Die Lady hat mir schon einmal gehört und mir ist es gelungen, sie zurückzukaufen. Wir beide hatten nach unserer ungewollten Trennung eine schwere Zeit, aber zusammen kriegen wir das wieder hin.« Liebevoll strich er über die staubige Wandvertäfelung.
»Oh mein Gott, Carter. Das ist dein ehemaliges Haus?« Natürlich, Joanna kannte das Gebäude von den Bildern aus dem Internet. Durch das Gerüst sah es verändert aus, daher hatte sie die Verbindung nicht gleich hergestellt.
Er nickte und strahlte sie an.
»Ich freue mich total für dich.« Joanna fiel Carter um den Hals. Ihre Erleichterung darüber, dass seine große Liebe nicht aus Fleisch und Blut bestand, sorgte dafür, dass diese Umarmung besonders innig ausfiel. Sie schmiegte sich an ihn, genoss seine Wärme. Carter zögerte einen Moment, aber dann legte er die Arme um Joanna. Sobald er sie an sich drückte, war jeder Gedanke aus seinem Kopf verschwunden. Er schloss die Augen. Es tat unglaublich gut, sich fallenzulassen und nur zu fühlen. Carter sah sich seinen Empfindungen machtlos ausgeliefert. Für einen Moment setzte seine Vernunft aus, er vergrub die Nase in Joannas Haar. Schließlich zwang er sich, die Umarmung zu beenden.
»Wie wäre es mit einer Besichtigung?«, erkundigte er sich.
»Unbedingt.«
Carter führte Joanna herum und zeigte ihr dabei Bilder des Brandschadens, die den Fortschritt der Sanierung anschaulich dokumentierten.
»Das hast du alles nach der Arbeit gemacht?«, fragte sie sichtlich beeindruckt.
»In jeder freien Minute. Ich habe selten etwas so genossen.«
»Nimm deine Überstunden und mach ein paar Tage frei. Es ist wichtig, dass du dir für deine Magnolia Zeit freischaufelst. Ihr beide habt eine Menge nachzuholen.«
»Danke für das Angebot, aber wir haben im Büro momentan zu viel zu tun. Ich kann jetzt nicht einfach weg.«
»Doch, kannst du. Ich sorge dafür, dass dein Team dir den Rücken freihält. Notfalls springe ich ein.«
»Wirklich?«
Joanna nickte. »Unter einer Bedingung.«
»Kein Problem, du darfst mir gerne jederzeit bei der Sanierung helfen. Und zwischendurch deine Leidenschaft in der Küche ausleben.« Er schenkte ihr ein freches Lächeln.
»Netter Versuch, Doyle.« Sie boxte ihm spielerisch auf den Oberarm. »Wobei Küche kein schlechtes Stichwort ist. Erzähl mir beim Essen, wie du das Haus zurückbekommen hast. Hier um die Ecke hat ein neues Restaurant eröffnet, das ziemlich gut sein soll.« Sie klimperte wild mit den Wimpern. »Ich lasse mich gerne von dir einladen.«
Carter taumelte zurück und fasste sich an die Stirn. »Wow, ich dachte bisher, Frauen wären subtil. Ich hoffe, das gibt keine Gehirnerschütterung. Man winkt mit dem Zaunpfahl, nutzt ihn aber nicht zum Zuschlagen. Für den Fall, dass du das nicht weißt«, sagte er amüsiert.
»Mit Winken halte ich mich nicht auf, wenn ich Hunger habe. Das verschwendet wertvolle Zeit.«
»Offenbar.« Er lachte und führte Joanna in das von ihr vorgeschlagene Restaurant, das nur wenige Minuten zu Fuß von seinem Haus entfernt lag.
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Kapitel 18 – Geliebte Magnolia