19 Die Einweihungsfeier Teil 2
Joanna folgte Carter ins Obergeschoss, wo er nach dem Brand eine Dachterrasse integriert hatte, die man über das Schlafzimmer betrat. Es gab zwar nur Platz für zwei Liegestühle und einen Beistelltisch, aber Carter reichte das völlig aus. Hier trank er gerne seinen ersten Kaffee des Tages, genoss dabei den Blick auf die Bucht. Carter stellte sein Glas auf den runden Bistrotisch mit bunten Mosaikfliesen.
»Schön, dass du diesen besonderen Abend mit meiner Lady und mir verbringst«, sagte er mit einem tiefen Blick in Joannas Augen, während er nach ihrer Hand griff.
»Deine Einweihungsparty hätte ich um nichts in der Welt verpassen wollen.«
Die untergehende Sonne tauchte die Terrasse in einen warmen Lichtschimmer. Vielleicht war es der Zauber der Abendstimmung, vielleicht lag es auch am Wein. Ganz sicher lag es an Joannas intensivem Blick und der Wärme ihrer Hand in seiner, dass er nichts mehr wollte, als ihre Lippen auf seinen zu spüren. Carter legte einen Finger an ihre Wange und streichelte so zärtlich über die Haut, dass Joanna die Luft anhielt.
Der innige Moment endete abrupt, als Brownie auf die Terrasse gesaust kam und vor lauter Übermut gegen den Tisch stieß. Carter gelang es in letzter Sekunde, das Rotweinglas mit einer Hand aufzufangen, aber er konnte nicht verhindern, dass sich der Inhalt über Joanna und ihn ergoss, bevor der Rest auf den frisch verlegten Holzplanken landete.
»Das darf doch nicht wahr sein. Ich war mit der Renovierung fertig, du Verrückter. Dir sollte jemand die Batterie rausnehmen.« Carter schnappte sich den Hund, hob ihn hoch und blickte ihn tadelnd an. Brownie hatte allerdings nichts Besseres zu tun, als ihm freudig das Gesicht abzulecken.
Joanna lachte, bis ihr die Tränen kamen.
»Hör auf, sonst glaubt er, wir fänden das witzig und dreht erst richtig auf«, sagte Carter, obwohl auch er sich das Lachen kaum verkneifen konnte. Er setzte den Hund wieder ab.
Joanna räusperte sich, dann blickte sie Brownie so vorwurfsvoll wie möglich an. »Böser Brownie.«
Der Hund legte den Kopf schief, warf sich auf den Rücken und setzte den vermutlich traurigsten Hundeblick aller Zeiten auf.
»Mein Gott, wie soll ich denn da nicht weich werden?« Sie strich Brownie über den Bauch.
»Kann man dich immer so leicht einwickeln?«, wollte Carter wissen.
»Möglich. Versuchs mal.« Sie grinste ihn keck an.
Carter streckte sich neben Brownie auf dem Boden aus und schenkte Joanna einen intensiven Hundeblick. Zumindest hoffte er, einen ähnlichen Ausdruck wie Brownie zustande zu bringen. Joanna kicherte. Sie kniete sich neben Carter, legte eine Hand flach auf seine Brust und strich hinunter zum Bauch. Diese sanfte Berührung brachte Carter unerwartet um den Verstand. Er konnte kaum atmen. Ihre Blicke verhakten sich ineinander.
»Brownie, wo steckst du denn schon wieder?« Harvey blieb wie angewurzelt stehen, dann hechtete er zu Carter. »Oh mein Gott, ist das Blut? Braucht ihr einen Arzt?«
Die romantische Stimmung war damit endgültig vorbei. Carter setzte sich unter Lachen auf. »Brownie hat die Terrasse gestürmt und die Einweihung mit Rotwein gefeiert.«
Harveys böser Blick landete auf seinem Hund, der sich langsam am Boden schnüffelnd von der Terrasse entfernte, als wäre nichts gewesen. »Ich komme für die Reinigung eurer Kleidung auf und was immer nötig ist, um den Holzboden wieder zu säubern«, bot Harvey an.
Carter winkte ab. »Das musst du nicht, ist keine große Sache.«
»Für mich schon. Ich bringe den Satansbraten besser nach Hause, damit er nicht noch mehr Schaden anrichtet. Bin gleich zurück.«
Nachdem Harvey gegangen war, half Carter Joanna vom Boden auf. »Ich befürchte, dein Rock und die Bluse haben ein wenig gelitten.«
»Rosa kriegt das sicher wieder hin. Hast du ein weißes Hemd, das du mir für den Rest des Abends leihen könntest?«
»Ja, klar.«
Carter reichte Joanna ein Hemd, mit dem sie im Bad verschwand. Währenddessen nahm Carter den Terrassenboden genauer in Augenschein. Das Holz würde er abschleifen müssen, um den Rotweinfleck loszuwerden. Er sah an sich hinunter. Sein Oberteil hatte einiges abbekommen. So konnte er nicht wieder zu seinen Gästen gehen. Er knöpfte das Hemd auf und zog es aus der Hose. Genau in dem Moment kam Joanna zurück. Auf seinen sinnlichen Anblick war sie nicht vorbereitet. Noch nie hatte sie ein Mann so in den Bann gezogen, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Sie wollte ihm langsam das Hemd von den Schultern streifen, seine glatte Brust streicheln, die Hände zum Hosenbund gleiten lassen.
»Das Hemd steht dir definitiv besser als mir«, sagte Carter mit einem bewundernden Blick. Da Joanna nicht antwortete, fragte er: »Alles in Ordnung mit dir?«
»Ja. Ich dachte nur gerade, also ich habe überlegt …« Joanna fiel überhaupt kein kluger Satz ein. Normalerweise war sie wortgewandt, reagierte souverän. Bei Carter übernahmen regelmäßig ihre Sinne den Verstand und kaperten offenbar auch ihr Sprachzentrum.
»Was hast du dir überlegt?«, fragte er.
»Dass du Hilfe mit den Manschettenknöpfen brauchst.« Froh darüber, dass sie ihre schlagfertige Seite wiedergefunden hatte, ging sie zu Carter, dem nicht aufgefallen war, dass er seit Joannas Auftauchen erfolglos an einem der Knöpfe nestelte. In der Sekunde, in der sie nah vor ihm stand, bemerkte sie ihren Fehler. Sein Duft, die Wärme seines Körpers und die intime Nähe, brachten ihre Finger zum Zittern. Carter erging es ähnlich. Reglos sah er zu, wie sie versuchte, den Manschettenknopf zu öffnen. Er legte den Kopf in den Nacken und flehte den Himmel um Gnade an. Seine Atmung ging flach. Vermutlich waren erst wenige Sekunden vergangen, aber für Carter fühlte es sich wie eine Ewigkeit an, bis sich Joanna dem zweiten Manschettenknopf widmete.
»Braucht ihr da oben Hilfe beim Aufräumen?«, schallte Harveys Stimme durchs Haus.
Carter stöhnte frustriert auf. Seine Gäste hatte er vollkommen vergessen. »Wir sind gleich unten«, rief er Harvey zu.
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Kapitel 19 – Die Einweihungsfeier