Dies ist Teil 40 von 62 im Buch Sheltered Dreams
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21 Half Moon Bay Teil 2

Carter genoss dieses Spiel und musste sich regelrecht zwingen, es nicht zu weit gehen zu lassen. »So gerne ich deine Erwartungen auf der Stelle erfüllen möchte …«
Joanna schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Ach, stimmt. Dir fehlt das Romantik-Gen. Hatte ich glatt vergessen.«
»Lass mich doch erst mal ausreden, bevor du mich runtermachst.« Amüsiert schüttelte Carter den Kopf. Aus dem Verbandkasten nahm er eine Rettungsdecke, die er zum Schutz auf seinen Sitz legte.
Joanna saß bereits im Wagen und grinste Carter an. »Okay, das war nicht nett von mir. Ich höre gebannt dem Ende deines Satzes zu.«
»Vergiss es. Du hast dich soeben ins Aus geschossen und dir einen weiteren Cliffhanger verdient.«
»Unfair.«
»Das sagt die Richtige. Ich zitiere eine gewisse Joanna Callaway: Cliffhanger steigern nicht nur die Spannung, sondern machen neugierig auf die Fortsetzung.«
»Gut gekontert. Beeindruckendes Gedächtnis, Doyle.«
Nach kurzer Fahrt parkte Carter vor einem Geschäft, das Kleidung führte. Sie betraten den Laden, wo Joanna sofort in einer Umkleide verschwand. Carter bat die Verkäuferin, sich um Joanna zu kümmern, während er in der Herrenabteilung stöberte. Wenig später bezahlte Carter ihre neuen Outfits unter Joannas anhaltendem Protest. Auf dem Weg zum Wagen sagte sie zum wiederholten Mal: »Ich kann meine Sachen selbst zahlen.«
»Ich weiß, dass du das kannst.«
»Dann lass mich bezahlen.«
»Nein.«
»Ich bestehe darauf.«
»Und ich bestehe darauf, dass du endlich die vereinbarte Waffenruhe einhältst.«
»Aber …«
»Das heißt: Danke Carter.«
»Danke Carter, aber …«
»Sei still, sonst werde ich die verhandelte Feuerpause ebenfalls ignorieren und schwere Geschütze auffahren.«
»Wird mir dann endlich gefährlich heiß?«
Unvermittelt fand sich Joanna mit dem Rücken an Carters Wagen wieder. Er stützte die Hände rechts und links neben ihr auf dem Dach ab und stand so nah vor Joanna, dass sich ihre Körper fast berührten. Sie konnte sich nicht erklären, wie er sie in diese Lage gebracht hatte, ohne dass sie es bewusst mitbekommen hatte.
»Eindrucksvolles Manöver, Doyle. Wo hast du das denn gelernt?«
Carter beugte sich zu ihrem Ohr. »Du sollst doch still sein«, flüsterte er, strich ihre Haare zur Seite, dann glitten seine Lippen sanft über die soeben freigelegte Haut ihres Halses. Joanna schnappte nach Luft. Mit geschlossenen Lidern genoss sie die Stromstöße, die Carters Berührungen in ihr auslösten. Sie bog den Kopf zur Seite, um ihm einen besseren Zugang zu gewähren.
Carter hatte diesen Vorstoß nicht geplant, aber Joanna war es gelungen, seine rationale Gehirnhälfte vollständig auszuschalten. Dafür war der emotionale Teil hellwach. Ihre Haut schmeckte salzig und süß zugleich. Unter seinen Liebkosungen beschleunigte sich ihr Puls und nachdem Carter diese erste Kostprobe von Joanna bekommen hatte, konnte er nicht mehr aufhören. Er knabberte vorsichtig an der zarten Haut, bis ihn das Hupen eines Autos zurück ins Hier und Jetzt brachte. Carters Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Mit einer witzigen Äußerung versuchte er, die Situation zu entschärfen.
»So bekommt man dich also dazu, ruhig zu sein. Das werde ich mir für die Zukunft merken.« Er zwinkerte ihr zu und hielt die Autotür für sie auf. Seine Hände zitterten dabei dermaßen stark, dass er eine Hand in die Hosentasche steckte, damit Joanna dies nicht bemerkte. Sie stieg schweigend in den Wagen, ließ ihn dabei jedoch nicht aus den Augen. Das Feuer in ihrem Blick ging Carter durch und durch. Als Joannas Handy klingelte, atmete Carter innerlich auf. Das verschaffte ihm Zeit, sich zu sammeln. Während Joanna telefonierte, spürte er immer wieder ihre Blicke auf sich. Carter vermied es, sie anzusehen und konzentrierte sich auf den dichter werdenden Verkehr. Die Tagesausflügler machten sich auf den Weg zurück in die Stadt, der Highway wurde voller, je näher sie San Francisco kamen.
Nach dem Ende des Telefonats herrschte unbehagliches Schweigen zwischen ihnen. Noch immer spürte Joanna seine Lippen auf der Haut. Wie er wohl küssen würde? Raffiniert und erfinderisch oder wild und hemmungslos? Ob er jemals restlos die Kontrolle verlor? Joanna wünschte sich, sie hätte den Mut, ihm ihre Gefühle zu gestehen, aber sie hatte Angst, die Initiative zu ergreifen. Carter berührte etwas tief in ihr. Sie wusste mit Sicherheit, dass sie niemals für jemanden auf diese Weise empfunden hatte. Das war aufregend und genau deswegen versetzte sie der Gedanke, er könnte sie zurückweisen, in Panik. Lieber wollte sie ihn so, wie sie ihn jetzt hatte, in ihrem Leben behalten, anstatt ihn vielleicht ganz zu verlieren. Daher sandte sie eindeutige Signale, in der Hoffnung, er würde aktiv werden. Aber sobald er seine Zurückhaltung aufgab und sie sich näherkamen, verschwand er regelmäßig wieder in seinem Schneckenhaus.
Um das Schweigen zu brechen, sprach sie mit Carter über das Hotel und als sie in San Francisco ankamen, hatten sie das erste Projekt der Stiftung bis ins kleinste Detail durchgeplant.
Carter setzte Joanna vor ihrem Haus ab. Sie griff nach der Tragetasche mit ihren nassen Sachen, die Carter auf den Rücksitz gelegt hatte. Er stieg mit Joanna aus und begleitete sie zur Tür.
»Jetzt kann ich die erste Spendengala der Stiftung planen, damit die Gelder schnellstmöglich rollen. Danke für deinen Einsatz, obwohl das gar nicht deine Baustelle ist.«
»Es liegt mir trotzdem am Herzen. Immerhin weiß ich, wie man sich als Wohnungsloser fühlt. Und vor allem weiß ich, wie schwer es fällt, um Hilfe zu bitten. Ich habe mich für mein Dasein geschämt und deshalb fast immer den schwereren Weg gewählt. Du wirst denen, die bereit sind, Hilfe anzunehmen, genau das geben, was sie brauchen. Falls ich dazu etwas beitragen kann, mache ich das ausnehmend gerne.«
»Du wärst wirklich der perfekte Botschafter für die Stiftung. Denkst du bitte noch einmal in Ruhe darüber nach?«
Carter schüttelte den Kopf. »Nein, Joanna. Ich möchte nicht, dass mein Gesicht wieder überall in der Presse auftaucht und meine Lebensgeschichte erneut breitgetreten wird. Ich bin nicht in der Lage, Details über die Zeit auf der Straße preiszugeben, denn ich habe zu viele unaussprechliche Dinge erlebt. Das immer und immer wieder ans Licht zu zerren, kommt für mich einer Folter gleich. Diesen Teil von mir möchte ich in der Vergangenheit lassen. Vergessen werde ich nie, aber ich will damit abschließen. Was mir nicht gelingen wird, wenn ich als Botschafter fungiere. Kannst du das verstehen?«
»Ja, sicher. Du hast jedes Recht der Welt auf deine Privatsphäre. Ich hätte gar nicht erst fragen sollen. Entschuldige.«
»Keine Entschuldigung nötig. Sprich mit Tate über einen Botschafter. Er ist gut vernetzt und wird dir sicherlich passende Kontakte herstellen können.«
»Das ist eine gute Idee.«
»Ich bin voll von guten Ideen, falls du es bisher nicht bemerkt hast«, sagte Carter mit einem vergnügten Grinsen.
Joanna lächelte ihn an. »Oh, das ist mir durchaus aufgefallen«, gab sie zweideutig zurück, bevor sie im Haus verschwand.

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