Dies ist Teil 48 von 62 im Buch Sheltered Dreams
Lesedauer: 4 Minuten

24. Herz oder Kopf Teil 1

Seitdem Lizzy ihn in die Mangel genommen hatte, rasten Carters Gedanken. In den letzten Monaten hatte er verzweifelt versucht, seine Gefühle für Joanna auf Sparflamme zu halten, sich nur in schlaflosen Nächten erlaubt, von mehr zu träumen. Dass sie jedes Mal gestört wurden, wenn sie im Begriff waren, sich näherzukommen, sah er mittlerweile als Zeichen. Er redete sich ein, dass es besser so war. Aber ganz gleich, wie sehr er sich bemühte, seine Gedanken kehrten nach kurzer Zeit immer wieder zu Joanna zurück. Sein Verstand sagte konsequent Nein, aber sein Herz interessierte das nicht. Manchmal war dieses sehnsüchtige Pochen in ihm alles, was er hören konnte.
»Verdammt, warum bist du ständig in meinem Kopf, auch wenn ich versuche, dich auszusperren?«, murmelte Carter.
Zumindest in einem Punkt hatte Lizzy recht. Er sollte mit Joanna reden. Sie würde ihm einen Korb geben, ihm sagen, dass er in ihre harmlose Flirterei zu viel hineininterpretierte. Das war es, was er brauchte. Er musste von ihr hören, dass sie nichts für ihn empfand, um seine Träume endgültig zu begraben. Dann wäre er frei, mit seinem Leben weiterzumachen, ohne Energie in unerwiderte Gefühle zu stecken.
Als er am nächsten Tag von Rosa erfuhr, dass Joanna das Wochenende in ihrem Blockhaus verbrachte, machte er sich auf den Weg nach Napa, denn er wollte das Gespräch auf keinen Fall am Telefon führen. Noch weniger wollte er es erneut aufschieben, weil er befürchtete, dass ihn der Mut wieder verlassen würde. Sobald er aus seinem Wagen stieg, hörte er das unverkennbare Geräusch einer Axt, die auf Holz traf.
Joanna ließ die Axt niedersausen, griff ein weiteres Stück Holz und hackte wie in Trance. Nach dem peinlichen Auftritt bei Carter hatte sie sich sofort auf den Weg zum Blockhaus gemacht. Hier war ihre heile Welt. Ein Ort der Zuflucht, der Ruhe, der Entspannung. Sie hatte sich im Gästezimmer auf das Bett gelegt, um sich zu beweisen, dass sie mit den Erinnerungen umgehen konnte. Die von Carter benutzte Bettwäsche war längst gewaschen. Der Blütenduft des Waschmittels hatte seinen Geruch ersetzt. Wenn es im Leben doch auch so leicht wäre. Die Probleme einfach in die Maschine stecken und nach ein paar Drehungen waschen sich die dunklen Flecken auf dem Herzen weg. Da sie nicht schlafen konnte, war sie auf der Suche nach Ablenkung bei beginnender Morgendämmerung auf die Terrasse gegangen. Weder das Beobachten der Wasservögel noch das sanfte Plätschern der Wellen, die auf das Seeufer trafen, hatte die ersehnte Zerstreuung gebracht. Carter war immer präsent. In jedem Gedanken, jedem Atemzug, jedem Herzschlag.
Sie griff nach einem weiteren Holzklotz. Aus dem Augenwinkel nahm sie eine Bewegung wahr.
»Was machst du hier?«, fragte sie kurz angebunden, legte das Holzstück auf den Block, holte aus und schlug die Axt mit aller Kraft hinein, sodass die gespaltenen Teile durch die Luft flogen.
»Ich möchte mit dir reden.« Carters zittriger Stimme war seine Nervosität anzumerken.
»Das hat sicher Zeit bis Montag.«
»Nein, hat es nicht.«
Joanna schlug die Axt in den Hackklotz, stapelte so viele Scheite wie möglich auf den Arm und ging in den Schuppen. Carter bückte sich, hob ebenfalls Holz auf und folgte ihr.
Die Wände des Schuppens schienen um Joanna herum zu schrumpfen. Hier war es eindeutig zu eng für sie beide. Carter war ihr zu nah. Seine Körperwärme zu dominant, sein männlich würziger Duft zu intensiv. Ohne ein Wort stürmte sie an ihm vorbei ins Haus. Carter ließ das Holz einfach auf den Boden fallen und ging ihr hinterher.
»Warum bist du hier, anstatt bei Lizzy zu sein?« Mit in die Hüften gestemmten Händen funkelte sie ihn provozierend an.
»Weshalb sollte ich bei Lizzy sein?«
»Ich dachte, das macht man so. Man verbringt das Wochenende mit dem Partner.«
Sie war eifersüchtig. Diese weltverändernde Erkenntnis traf Carter mitten ins Herz.
»Fahr zurück zu deiner Lady, statt deine Zeit hier zu vergeuden.« Sie machte eine auffordernde Handbewegung zur Tür. Joanna war klar, wie kindisch sie sich benahm, aber die Situation überforderte sie. Carter hier zu haben, war zu viel. Sein Lächeln war zu viel. Alles war zu viel. Sie brauchte Zeit allein, um mit der neuen Situation fertig zu werden. Warum ging er nicht endlich?
Carter bewegte sich jedoch nicht von der Stelle. »Lizzy ist nicht meine Freundin«, stellte er klar.
In Joannas Erinnerung blitzte der Ring an Lizzys Hand auf. »Deine Verlobte?«
Er schüttelte den Kopf.
»Dann meinetwegen dein Betthäschen. Ist mir egal und geht mich auch nichts an.«
Sie war sogar bezaubernd, wenn sie eifersüchtig war. Carter konnte nicht länger an sich halten. Seine Mundwinkel zuckten, dann stahl sich ein amüsiertes Schmunzeln auf seine Lippen, das sich schnell in ein befreiendes Lachen verwandelte. Irritiert blickte Joanna ihn an. Warum lachte er sie aus? Sie wollte an ihm vorbei ins Freie, aber er griff sachte nach ihrer Hand.
»Hör mir nur eine Minute zu«, bat er und ließ sie wieder los.
»Okay.« Joanna verschränkte die Arme vor der Brust.
»Erinnerst du dich, dass ich dir von Julian erzählt habe?«
Sie nickte.

***

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Kapitel 24 – Herz oder Kopf

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