25 Ein Tag am See Teil 2
Nach dem Frühstück schlugen sie den Rundwanderweg ein, der am See entlanglief. Carter ergriff Joannas Hand, verschränkte die Finger mit ihren.
»Bist du dir im Klaren darüber, dass du mit Vorurteilen und Unverständnis konfrontiert werden wirst, sobald unsere Beziehung bekannt wird?«
»Warum denkst du das?«
»Du stehst in der Öffentlichkeit und hast dich mit meiner Einstellung bereits weit aus dem Fenster gelehnt. Die Medien werden meine Geschichte auf der Suche nach der nächsten ultimativen Schlagzeile garantiert endgültig ausschlachten.«
»Deine Geschichte ist spätestens seit dem Video bekannt und die Reaktionen darauf waren mit wenigen Ausnahmen positiv. Warum sollte das jetzt plötzlich umschlagen?«
»Weil es einen Unterschied macht, ob du einen Obdachlosen einstellst oder ob du mit ihm eine Beziehung eingehst. Ich möchte nicht, dass sich die Presse wieder auf dich stürzt, wie nach deiner letzten Trennung.«
»Damals habe ich nur ein Statement Real Living betreffend abgegeben, denn mein Privatleben diskutiere ich grundsätzlich nicht mit der Öffentlichkeit. Falls unsere Beziehung hohe Wellen schlagen sollte, wird sich das schnell wieder legen. In die Zeitung von heute wird morgen der Fisch eingewickelt.« Sie drückte seine Hand. »Zum Glück habe ich ein tolles PR-Team, das immer rechtzeitig eingreift, sobald ein Shitstorm droht. Daher habe ich mir angewöhnt, nicht über Probleme nachzudenken, die noch keine sind. Ansonsten würde ich jede Nacht wach liegen, weil ich überall Schwierigkeiten sehe.«
»Wie wäre es, wenn wir uns in aller Ruhe als Paar besser kennenlernen und ein eingespieltes, gefestigtes Team werden, bevor wir es offiziell machen?«
Carter war der erste Mann, der nicht sofort mit einem Megafon durch die Straßen rennen und verkünden wollte, dass er der Mann an Joanna Callaways Seite war. Trotzdem gefiel ihr die Idee nicht, denn ausnahmsweise wollte sie in die Welt herausschreien, dass sie zusammengefunden hatten.
»Das heißt auf absehbare Zeit kein Knutschen im Büro?«, fragte sie belustigt.
»Auf keinen Fall«, gab er mit gespielter Entrüstung zurück. »Das Büro ist eine neutrale Zone.«
»Schade.« Sie zog einen Flunsch. »Ich kenne die Chefin ziemlich gut. Sie hätte bestimmt nichts dagegen.«
Carter schubste sie mit der Schulter an. »Im Ernst, wie denkst du darüber?«
»Ich schätze, für eine Weile können wir es für uns behalten. Aber auf ewig möchte ich mich nicht verstecken.«
»Ich auch nicht. Dass wir zusammen sind, ist unfassbar schön, aber unsere beiden Welten zu vereinen wird uns vor einige Herausforderungen stellen.«
»Macht dir das Angst?«
»Sagen wir, es macht mir Kopfzerbrechen.«
»Was genau?«
»Der unterschiedliche Lebensstil.«
»Du meinst Geld«, stellte Joanna klar.
»Ja«, gab Carter zu.
»Du denkst schon wieder zu viel nach.« Joanna gab ihm einen Kuss, den er nur zu gerne erwiderte. »Obwohl ich nicht aufs Geld schauen muss, halte ich mich nicht für abgehoben. Natürlich weiß ich verschiedene Annehmlichkeiten zu schätzen. Ich genieße es, wenn nach einem langen Arbeitstag leckeres, hausgemachtes Essen auf mich wartet. Dass jemand da ist, der sich für mich um alltägliche Dinge kümmert, für die mir keine Zeit bleibt. Umgekehrt liebe ich es, an den Wochenenden selber zu kochen und mein Blockhaus in Schuss zu halten. Ich ziehe die Burritos der Taqueria der Sterneküche im Francis vor. Ich esse gerne mit den Händen und im Francis starren die einen immer so tadelnd an, wenn man das macht.«
Der letzte Satz brachte Carter zum Lachen, bevor er den Gesprächsfaden erneut aufnahm.
»Sieh es bitte einmal von meinem Standpunkt aus. Als ich meine Firma noch hatte, ging es mir gut. Es gab keine Reichtümer, aber ich konnte mir ein angenehmes Leben leisten. Ich hatte weder ein besonders schickes Auto noch bin ich jemals 1. Klasse geflogen. Ich besaß einen Anzug von der Stange, den ich zu jeder Gelegenheit getragen habe, die nach formeller Kleidung verlangte. Hochzeiten, Beerdigungen und Gespräche mit der Bank. Das meiste Geld ist in meine Painted Lady geflossen. Die Abzahlung des Kredits, die Renovierung. Hin und wieder gab es Urlaub und das war es auch schon. Mein einziger echter Luxus bestand aus einer Dauerkarte für die 49ers.«
»Du bist Footballfan?«
»Leidenschaftlich. Den Premium-Club-Sitzplatz zu verlieren hat echt geschmerzt. Ich habe jahrelang auf der Warteliste gestanden, bis endlich ein Platz frei wurde.« Carter musste lachen, da Joanna die Augenbrauen zusammenzog und die Nase kräuselte.
»Deiner Mimik entnehme ich, dass sich dein Interesse für Football in Grenzen hält?«
»Es gibt keinen langweiligeren Sport. Das Ei ist ein paar Sekunden im Spiel, dann schmeißen sich alle Typen übereinander, und anschließend wird die Partie für wer weiß wie lange unterbrochen. Gähn!«
»Oh mein Gott, ist das dein Ernst?« Carter blieb mit weit aufgerissenen Augen stehen. »Dass du eigensinnig und kein Morgenmensch bist, damit hätte ich leben können. Aber Football als langweilig zu betiteln ist Blasphemie.«
»Hiermit füge ich der Liste deiner Makel die Eigenschaft Engstirnigkeit hinzu.«
»Ich bin weit davon entfernt, engstirnig zu sein.« Seine Augen funkelten amüsiert. »Aber wie soll ich mit dir zusammen sein, wenn du so abwertend über den besten Sport der Welt sprichst?«
»Ich rede gar nicht über Football, wenn das hilft. Stattdessen könnte ich das hier tun.« Sie legte die Arme um ihn, dann küsste sie Carter leidenschaftlich.
»Mhm, das gefällt mir. Ist ein guter Kompromiss«, murmelte er an ihren Lippen, bevor er sich einen weiteren Kuss stahl.
»Davon kannst du später gerne mehr haben. Aber zuerst sollten wir deinen Kopf komplett freibekommen. Liegt dir noch etwas auf der Seele?«
Carter nickte. »Vor ein paar Tagen ist mir die aktuelle Forbes-Liste in die Hand gefallen. Ich habe einen neugierigen Blick riskiert und gesehen, dass du als die Nummer sechsundvierzig der reichsten Personen der USA geführt wirst.«
Joanna schaute schweigend zu Boden.
»Ist dir das unangenehm?«, wollte Carter wissen.
»Ja, am liebsten würde ich dort gar nicht auftauchen. Ich mag nicht ständig auf meinen Reichtum reduziert werden. Das ganze Drumherum, das zwangsläufig mit dem Geld kommt, wenn man in meiner Branche bestehen will, bin nicht ich.« Sie zupfte an ihrem Oberteil. »Das hier bin ich. Das Holzfällerhemd, die alte, bequeme Jeans, ungeschminkt mit Pferdeschwanz. Ich bin die Blockhütte und nicht die Mansion in Pacific Heights.«
Carter spielte mit ihrem Zopf. »Mir gefällt deine natürliche Version ausnehmend gut.« Er legte einen Arm um ihre Schultern. Eng aneinandergeschmiegt gingen sie weiter. »Zugegeben wird mir ein wenig schwindelig, wenn ich an das von Forbes genannte Vermögen denke«, sagte er.
»Sobald du mich noch besser kennst, wirst du feststellen, dass Geld in meinem Privatleben eine untergeordnete Rolle spielt. Mein Vermögen bedeutet für mich Freiheit. Es beruhigt mich. Ich habe mehr Geld, als ich vermutlich in zehn Leben ausgeben könnte. Darum investiere ich in Real Living, bezahle meine Leute gut und spende für wohltätige Zwecke. Ich halte es für meine Verpflichtung, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, anstatt noch mehr Vermögen anzuhäufen, das ich absolut nicht brauche.«
»Dafür bewundere ich dich. Anfangs konnte ich mir nicht vorstellen, dass du derart großzügig, unvoreingenommen und auf dem Boden geblieben bist. Ich hatte erwartet, dass du dich als die weibliche Version von Jekyll und Hyde entpuppst. Aber du bist genauso, wie du dich bei unserer ersten Begegnung gezeigt hast. Du bist schlichtweg bezaubernd.« Er hauchte einen Kuss auf ihren Handrücken.
»Hör auf, du machst mich verlegen.«
»Das muss dir nicht peinlich sein. Es ist die absolute Wahrheit.« Er zog Joanna zu einem ausgiebigen Kuss an sich. Schließlich liefen sie Arm in Arm weiter. »Ich habe eine letzte Sache. Obwohl das an diesem Punkt unserer Beziehung absolut unpassend erscheint, muss ich einfach ehrlich sein und es wenigstens einmal ansprechen.«
»Okay.« Joanna blickte ihn abwartend von der Seite an.
»Ich habe eine Scheißangst davor, was passiert, wenn es mit uns nicht klappt. Das ist auch der Grund, warum ich lange gegen meine Gefühle für dich angekämpft habe. Ich will nicht am Anfang bereits über ein mögliches Ende philosophieren, aber du hast mir ein neues Leben geschenkt. Schon der Gedanke, dass ich ein weiteres Mal alles verlieren könnte, macht mich krank.«
Sie blieb stehen, schlang die Arme um Carters Taille und sah ihn an. »Ich verstehe dich. Für mich ist das genauso neu. Ich war noch nie mit jemandem zusammen, der für mich arbeitet. Aber eins kann ich dir fest versprechen: Sollte es jemals dazu kommen, werde ich private Beziehungsprobleme niemals auf der geschäftlichen Ebene austragen. Du wirst deswegen deinen Job nicht verlieren. Ich bin davon überzeugt, dass wir beide nach allem, was wir im Leben bereits durchgemacht haben, vernünftig genug sind, um das fair zu trennen.« Sie küsste ihn. »Lass uns zurückgehen. Ich bin bereit für die ausgiebige Kuschelzeit, die du mir heute früh versprochen hast.«
Zurück im Haus zog Joanna Carter sofort mit sich auf die Couch. Er fand gerade noch die Zeit, seine Schuhe abzustreifen, als sie ihn auch schon in einen hingebungsvollen Kuss verstrickte. Er griff in ihre Haare, zog den Kopf zu sich, küsste sie hart und fordernd.
»Du machst mich völlig verrückt«, raunte Carter, glitt mit der Fingerspitze von Joannas Lippe über ihr Kinn den Hals hinab, was Joanna Wonneschauer durch den Körper sandte. Ungestüm öffnete sie Carters Jeans, glitt mit der Hand hinein und massierte seine Erektion. Er sah Sterne. Das war Wahnsinn. Sein Vorsatz, stark zu bleiben und nicht sofort mit Joanna zu schlafen, geriet zunächst in Schieflage. Er versank endgültig in den Fluten, als sie ihre Hand in die Boxershorts schob und über seine weiche Haut strich. Es war Jahre her, dass ihn eine Frau so berührt hatte und die Empfindungen, die Joanna in ihm auslöste, waren auf die bestmögliche Art unerträglich. Himmel, er würde das nicht durchhalten.
Das penetrante Klingeln eines Handys sorgte dafür, dass beide frustriert aufstöhnten. »Brians Klingelton, da muss ich ran.« Joanna rollte zur Seite und griff nach ihrem Telefon auf dem Beistelltisch.
»Ich bezahle dich nicht dafür, dass du mich am Wochenende störst«, sagte sie zu ihrem CEO, dabei zwinkerte sie Carter zu. Joanna lauschte Brians Antwort. »Das sind tolle Neuigkeiten. Selbstverständlich komme ich nach New York. Wir sehen uns morgen im Büro.«
Carter setzte sich auf. »Du musst an die Ostküste?«
Sie zog die Nase kraus. »Leider. Auf diesen Deal haben wir drei Jahre hingearbeitet. Brian hat zwar die Verhandlungen von mir übernommen, allerdings besteht der Verkäufer darauf, dass ich mit am Tisch sitze, wenn der Vertrag unterzeichnet wird. Ich verspreche dir, dass ich meinen Kalender leeren und dafür sorgen werde, dass ich nach meiner Rückkehr für eine Weile keine weiteren Geschäftsreisen unternehmen muss, damit wir beide endlich Zeit füreinander haben. Ich bin es leid, dass wir ständig gestört werden«, sagte Joanna, bevor sie Carter vor ihrem Aufbruch zu einem letzten Kuss an sich zog.
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Kapitel 25 – Ein Tag am See