Dies ist Teil 6 von 62 im Buch Sheltered Dreams
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4 Ein kleiner Rest Würde – Teil 2

Carter saß in seinem Versteck, als er die Streife der Nachbarschaftswache hörte. Sie waren immer zu dritt und sprachen so laut miteinander, dass man sie nicht überhören konnte. Auch in diesem Teil von San Francisco hatten sich Nachbarn zusammengeschlossen, um ihre Wohngegend sicherer zu machen. Die Gruppen informierten bei Problemen die Polizei. Sie hatten sogar das Recht, eine Person festzuhalten, bis Gesetzeshüter eintrafen. In der uneinsehbaren Kuhle, umgeben von schützenden Sträuchern und Hecken, fühlte sich Carter gut aufgehoben. Er hatte den Unterschlupf von allen Seiten in Augenschein genommen und erfreut festgestellt, dass er sein Lager von keinem der Wege erkennen konnte. Bisher waren Vögel, Eichhörnchen und Katzen seine einzigen Besucher gewesen. Nachdem die Nachbarschaftswache nicht mehr in der Nähe war, verließ Carter sein Versteck. Jeden Abend vor dem Schlafen für eine Weile zu laufen, half ihm, seine grüblerischen Gedanken loszulassen.
Auf dem Rückweg zum Schlafplatz sah er wieder eine Papiertüte an der Mauer stehen. Interessiert trat er näher. Im Schein der Straßenbeleuchtung las er: Guten Appetit. P. S. Haben Sie sich um die Wunde gekümmert?
Lächelnd nahm Carter die Tüte an sich und legte erneut das Wort Danke, gefolgt vom Wort Ja, mit Steinen vor die Mauer.
Nach einer ruhigen Nacht packte Carter seinen Rucksack, schnappte die Tüte mit den Lebensmitteln und machte sich auf zu seinem Lieblingsplatz an der Golden Gate Bridge. Er setzte sich an einen der Picknicktische. Den Inhalt der Tüte breitete er auf der Tischplatte aus. Als Letztes zog er einen 50-Dollar-Schein mit einer Notiz heraus: Kaufen Sie sich davon bitte etwas, das Sie gerne mögen.
Carter starrte die Banknote in seiner Hand an. Es war eine Sache, dass er zwei Tage hintereinander Essen akzeptiert hatte, aber Geld würde er nicht annehmen, auch wenn sie davon sicherlich mehr als genug besaß. Um seinen Magen zu füllen, nahm er mittlerweile Hilfe an, denn bevor er auf der Straße gelandet war, hatte er nicht einmal ansatzweise geahnt, was Hungern wirklich bedeutete. Aber seinen Stolz konnte er nicht in jeder Hinsicht ablegen. Es war für ihn qualvoll genug, dass er auf Sozialhilfe angewiesen war. Almosen, in Form von Geld, nahm er von Fremden nicht an. Dass er sich diesen Stolz nicht leisten konnte, war ihm gleichgültig. Er würde ihr das Geld später zurückgeben.

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Kapitel 4 – Ein kleiner Rest Würde

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